Kann die Arbeitszeit für Lehrkräfte tatsächlich „einfach so“ geändert werden?
Für beamtete Lehrkräfte kann die Landesregierung die Anzahl der Unterrichtsstunden im Rahmen der durch das Beamtengesetz vorgegebenen regelmäßigen 40-Stunden-Woche einseitig festlegen. Für tarifbeschäftigte Lehrkräfte gelten die gleichen Bedingungen aufgrund der tarifvertraglichen Verweisung des TV-L auf die Regelungen der beamteten Lehrkräfte. Wir werden gerichtlich prüfen lassen, ob der Rechtsrahmen überschritten wurde.
Manche Regelungen beziehen sich auf die Regelstundenzahl, manche auf die Unterrichtsverpflichtung, was ist der Unterschied?
Die Regelstundenzahl ist die für die jeweilige Schulform festgelegte Anzahl von Unterrichtsstunden pro Woche, die von den Lehrkräften zu erteilen ist. Die Unterrichtsverpflichtung beschreibt die individuelle Anzahl der Unterrichtsstunden pro Woche einer Lehrkraft, die sich aus der Regelstundenzahl abzüglich von Ermäßigungen, Anrechnungen und Freistellungen ergibt. Es gibt Alters- und Schwerbehindertenermäßigungen, Anrechnungen gibt es für Schulleitungsaufgaben, Arbeit in der Qualifikationsphase, für besondere Belastungen („§ 10-Stunden“) und für Aufgaben bei der Aus- und Fortbildung. Freistellungen gibt es bei der Erledigung dienstlicher Aufgaben anstatt Unterricht, z. B. für Personalratstätigkeit.
Gibt es Änderungen bei den bisherigen Regelungen zu den Mehr- und Minderzeiten?
Faktisch nicht. Die Unterrichtsverpflichtung kann in einer Bandbreite von bis zu vier Stunden unter- oder überschritten werden. Darüber hinaus kann nur bei entsprechenden „schulorganisatorischen Bedingungen an den berufsbildenden Schulen“ abgewichen werden. Die entstehenden Mehr- und Minderzeiten werden gegeneinander aufgerechnet und auf einem „Flexistunden-Konto“ geführt. Die Minderzeiten dürfen 40 Unterrichtsstunden nicht übersteigen, die Mehrstunden dürfen am Ende des Schuljahres nicht mehr als 80 Unterrichtsstunden umfassen.
Wie werden Mehr- und Minderzeiten ausgeglichen?
Im Regelfall werden die Mehr- und Minderzeiten auf dem Flexistunden-Konto im gleichen Schuljahr ausgeglichen. Falls das nicht gelingt, sind die Stunden im folgenden Schuljahr „bei der Einsatzplanung“ der Lehrkräfte zwingend auszugleichen. Ein weiteres Verschieben ist nicht möglich.
Zweite Möglichkeit: Die Lehrkraft kann jeweils bis zum 31. Mai schriftlich beantragen, dass der Wert der Mehrzeiten ganz oder teilweise ausgezahlt werden soll.
Dritte und neue Möglichkeit: Die Lehrkraft kann bestimmen, dass die Mehrzeiten ganz oder teilweise auf ein Ausgleichskonto überführt werden. Das Ausgleichskonto dient dem längerfristigen Sammeln von Stunden für einen späteren Freizeitausgleichs. Die Erläuterungen hierzu sind weiter hinten zu finden. Diese Überführung bedarf ebenfalls eines schriftlichen Antrages jeweils zum 31. Mai.
Gibt es die bisherigen so genannten Zusatzstunden noch?
Ja. Eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft kann bis zum 30. April beantragen, im folgenden Schuljahr bis zu vier Zusatzstunden pro Woche zu erteilen. Wird dem Antrag stattgegeben, werden (nur) die tatsächlich erteilten Zusatzstunden monatlich ausgezahlt oder auf Antrag (bis zum 31. Mai) auf das Ausgleichskonto (weiter hinten) gebucht, Minderzeiten mindern die Anzahl der erteilten Zusatzstunden.
Wen betrifft die Verpflichtung zur Erteilung der Vorgriffstunde?
Die so genannte Vorgriffstunde, die von April 2023 bis Juli 2028 eine zusätzliche Pflichtstunde neben der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung darstellt, betrifft alle unbefristet beschäftigten Lehrkräfte. Ausgenommen sind Lehrkräfte, die eine Ermäßigung wegen Alters oder wegen einer Schwerbehinderung erhalten, schwangere und stillende Kolleginnen und Lehrkräfte mit einer vorübergehend geminderten Dienstfähigkeit.
Welche besonderen Regelungen gelten für die Vorgriffstunde?
In der Regel werden die Vorgriffstunden auf das neue Ausgleichskonto gebucht. Hierbei werden nur tatsächlich erteilte Vorgriffstunden, die gesondert im Stundenplan gekennzeichnet werden, berücksichtigt. Weder führen nicht erteilte Vorgriffstunden zu Minderzeiten noch werden Vorgriffstunden mit Minderzeiten verrechnet. Alternativ zur Buchung auf das Ausgleichskonto werden die Vorgriffstunden auch monatlich ausgezahlt, wenn dies bis zum 31.5. für das kommende Schuljahr beantragen wurde.
Was ist im Krankheitsfall zu beachten?
Während im Krankheitsfall bei beamteten Lehrkräften keine Vorgriffstunden berücksichtigt werden, werden diese bei angestellten Lehrkräften aufgrund der Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes in der Zeit der Gehaltsfortzahlung als gehalten gerechnet.
Auf das Ausgleichskonto können also Mehrzeiten, Zusatzstunden und Vorgriffstunden gebucht werden?
Richtig. Es ist aber zu beachten: Das Überführen von Mehrzeiten und Zusatzstunden bedarf jeweils eines Antrages. Die Vorgriffstunden werden automatisch auf dem Ausgleichskonto gebucht, eine Auszahlung erfolgt nur auf Antrag. Allerdings können auf das Ausgleichskonto maximal 1.000 Unterrichtsstunden gebucht werden, nach Vollendung des 63. Lebensjahres (bei Lehrkräften mit Schwerbehindertenermäßigung nach Vollendung des 60. Lebensjahres) darf das Zeitguthaben nur noch maximal 350 Stunden betragen.
Wer ist für die Erfassung der Mehr- und Minderzeiten, Zusatzstunden, Vorgriffstunden und der Buchungen auf dem Flexistunden-Konto und Ausgleichskonto zuständig?
Die Erfassung und Dokumentation aller Stunden obliegen den Schulleitungen.
Die Beantwortung der Fragen erfolgte anhand der neuen Arbeitszeitverordnung und den vorliegenden Absichtserklärungen des Bildungsministeriums, es können also durchaus noch Änderungen eintreten oder manche Aussagen müssen neu interpretiert werden. In einem zweiten Teil gehen wir auf diese Änderungen sowie auf alle Fragen zum „Abbummeln“ des Ausgleichskontos ein. Gern nehmen wir auch Fragen (am besten per E-Mail) entgegen und versuchen, diese dann ebenfalls zu beantworten.
Torsten Richter