In den letzten Ausgaben der EuW gab Lehrerbezirkspersonalrat Torsten Richter bereits Antworten auf häufig gestellte Fragen zu den Regelungen der Mehr- und Minderzeiten zur Vorgriffstunde. In diesem vierten Teil beantwortet er hier nun weitere Fragen, insbesondere zur Geltendmachung, Verjährung und den nötigen Schritten, die eine Lehrkraft berücksichtigen sollte.
Gibt es neue Regelungen oder Festlegungen?
Nein. Es gilt die Arbeitszeitverordnung mit ihren Regelungen zu den Vorgriffstunden. Außerdem gibt es nach wie vor den in einigen Punkten nicht mehr gültigen sogenannten „Flexi-Erlass“. Außerdem gibt es einen Schulleiterbrief vom 6. Oktober, der nichts neues regelt. Die Einzelheiten hierzu sind im letzten Punkt zu finden.
Es gab zu diesem Thema zwei Kleine Anfragen zu diesem Thema. Welche neuen Informationen gibt es aus den Antworten der Landesregierung?
Diese Antworten muss man schon als skurril bezeichnen. So wird behauptet, dass es keinen Anspruch auf monatliche Auszahlung der Vorgriffstunde gibt, weil es einerseits eine „Kann-Bestimmung sei“ und andererseits eine Bewilligung der Auszahlung nötig sei. Beides trifft nicht zu, die „Kann-Bestimmung“ bezieht sich darauf, dass die Vorgriffstunden auch monatlich ausgezahlt werden können, das „Kann“ bezieht sich auf die Entscheidung des Beschäftigten, nicht des Landes. Eine Bewilligung ist ebenso nicht vorgesehen, der Anspruch entsteht mit dem Ableisten der Vorgriffstunde, die Auszahlung muss nicht bewilligt werden, sondern ist am Zahltag fällig.
Im § 37 TV-L ist geregelt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, dies betrifft Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Fällig sind Zahlungen aus dem Arbeitsverhältnis am Zahltag, dieser ist in der Regel der letzte Tag des Monats für den laufenden Monat. Entgeltbestandteile, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind, werden erst am Zahltag des zweiten Kalendermonats fällig, der auf ihre Entstehung folgt (§ 24 TV-L). Daraus ergibt sich die Fälligkeit für die Auszahlung der Vorgriffstunden im April 23 am Zahltag des Monats Juni 23, erst ab dann läuft die Frist für die Geltendmachung.
Welche Folgen hat die Geltendmachung?
Die Geltendmachung nach § 37 TV-L verhindert, dass die Ansprüche verfallen. Die Regelung gilt übrigens beidseitig, auf das Verfallen von Ansprüchen kann sich auch die Lehrkraft berufen, wenn der Arbeitgeber Ansprüche hat, bei denen eine rechtzeitige Geltendmachung fehlt.
Gilt das auch für Beamte?
Hier gilt folgendes: Beamte müssen ihre Ansprüche immer rechtzeitig vor Ende des Haushaltsjahres geltend machen, der Eingang beim Landeschulamt am 31. Dezember des Jahres reicht für das laufende Jahr aus.
Gibt es schon erste Antworten aus bisherigen Geltendmachungen?
Die ersten Antworten liegen bereits vor. Einmal wird der Anspruch verneint, weil Minderstunden aufgelaufen seien. Andere Antworten verweisen auf die „Kann-Bestimmung“ sowie die Aussagen von Frau Feußner. Beides kann nicht den Anspruch verneinen, ersteres ist falsch und zweiteres völlig irrelevant.
Muss man auf die Antwort zur Geltendmachung reagieren?
Nein. Bekommt man eine Antwort, hat man zunächst eine Bestätigung, dass man seine Ansprüche geltend gemacht hat. Verneint der Arbeitgeber / Dienstherr den Anspruch, ist das nur eine Meinungsäußerung. Ob der Anspruch tatsächlich besteht, wird dann endgültig bei angestellten Lehrkräften ein Arbeitsgericht und bei beamteten Lehrkräften ein Verwaltungsgericht feststellen.
Natürlich kann man auf die Antwort ebenso eine Antwort zurücksenden, dies hat aber rechtlich keine Bedeutung. Sinn macht es nur, wenn man merkt, dass der Arbeitgeber / Dienstherr offensichtlich etwas falsch bewertet hat, was er wohl korrigieren wird, wenn ihm „der fehlende Fakt“ zur Kenntnis gegeben wird. Davon kann man beim Thema Vorgriffstunde nicht ausgehen.
Was sind die nächsten Schritte, die eingehalten werden müssen, um die Ansprüche umzusetzen?
Die Geltendmachung verhindert, dass die Ansprüche verfallen. Der nächste Verlust dieser Ansprüche droht durch Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, wobei die Frist immer mit dem Ende des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist. Die Verjährung kann dann durch ein gerichtliches Verfahren, welches genau den betroffenen Anspruch betrifft, gehemmt werden.
Es ist nun nicht sinnvoll, dass nach erfolgreicher Geltendmachung alle betroffenen Lehrkräfte die Arbeits- und Verwaltungsgerichte mit entsprechenden Klagen fluten, vielmehr sind einige wenige Klagen sinnvoll, die beiden Seiten zeigen, wie Gerichte die rechtliche Frage des Anspruchs bewerten.
Ein solches Verfahren führe ich beim Arbeitsgericht Halle. Ich werde hierüber berichten.
Übrigens kommt es nicht selten vor, dass Arbeitgeber / Dienstherr zur Vermeidung einer Klageflut, die sie ja auch personell erheblich belasten, auf die Einrede der Verjährung verzichten. Dies könnte passieren, wenn nach drei Jahren noch keine Rechtssicherheit durch Rechtsprechung seitens der Gerichte besteht.
Als Lehrkraft ist es also vorerst sinnvoll, nach Geltendmachung zu beobachten, wie sich das Ganze entwickelt. GEW-Mitglieder sind im Vorteil, weil wir natürlich die Termine im Blick haben und ggf. entsprechend reagieren und informieren.
Aktuell gibt es einen aktuellen Schulleiterbrief vom 6. Oktober. Ändert sich hieran etwas?
Der Schuleiterbrief vom 6. Oktober ist eine Bankrotterklärung des Landesschulamtes. Man habe nicht genügend Personal, um alles rechtzeitig zu bearbeiten. Dies mag zutreffend und bedauerlich gleichzeitig sein, aber die Regeln, die jetzt „mangels Personal“ nicht umgesetzt werden können, hat das Land selbst geschaffen. Dabei spielt der Streit um die monatliche Bezahlung der Vorgriffstunde noch gar keine Rolle.
Den Schulen – also den Schulleitungen – den „schwarzen Peter“ zuzuschieben, weil die Unterlagen nicht so sind, dass sie sofort verwendet werden können, ist eine bodenlose Frechheit. Schulleitungen klagen über fehlende oder falsche Hilfen und Erklärungen, werden allein gelassen und versuchen, nach bestem Gewissen und Wissen die Abrechnungen richtig vorzunehmen. Fehler sind schlicht das Ergebnis mangelhaften Anleitung durch das Landesschulamt.
Kann man sich als Lehrkraft einbringen?
Für die rechtliche Bewertung in der Gesamtheit wäre es gut, wenn wir die Antworten auf Geltendmachungen aus dem ganzen Land zur Verfügung gestellt bekämen, gern können die persönlichen Daten unkenntlich gemacht werden. Wir verwenden natürlich keinerlei Daten für fremde Zwecke. Die Antworten auf Geltendmachungen können hier hochgeladen werden: https://kurzelinks.de/geltendmachung, der Link führt auf eine Seite, die zu unserer GEW-Cloud gehört, das wird auch ausgewiesen.
Wie bekomme ich Hilfe?
Allgemein helfen die GEW-Personalräte gern weiter, besonders unsere Kolleginnen und Kollegen im Lehrerhauptpersonalrat und in den Lehrerbezirkspersonalräten haben sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, die Kontakte sind unter https://www.gew-sachsenanhalt.net/personal-betriebsraete zu finden. Als GEW-Mitglied kann man den GEW-Rechtsschutz nutzen, der von der Beratung bis zu Gerichtsprozessen bis in die letzte Instanz zur Verfügung steht, letzteres natürlich nur, wenn der Rechtstreit nicht von vornherein aussichtslos ist. Auch der Autor dieser Beiträge steht per Mail oder telefonisch zur Verfügung, soweit es zeitlich möglich ist.
Unter haben wir eine Mustergeltendmachung bereitgestellt. Diese umfasst alle möglichen Tatbestände, die im Hinblick auf die Einführung der Vorgriffstunde derzeit geltend gemacht werden könnten. Es ist sinnvoll, die nicht bestehenden Ansprüche und die Hinweise in diesem Muster zu löschen.
Hinweise, Kritiken und Fragen nehme ich gerne wieder unter torsten.richter@gew-lsa.de entgegen.
Fazit
Wir erleben gerade eine spannende wie gleichzeitig ärgerliche Entwicklung. Ärgerlich deshalb, weil das Handeln der Landesregierung gegenüber der Arbeit der Lehrkräfte jeden Respekt und jede Wertschätzung vermissen lässt. Für mich sind dementsprechende Äußerungen verantwortlicher Landespolitiker nur noch Faselei, die ich als Hohn und Zynismus empfinde. Gerade deshalb sollte der Umgang mit uns Lehrkräften nicht einfach hingenommen werden.
Torsten Richter