In den Ausgaben 5/2023, 6/2023 und 7/8/2023 der EuW gab Lehrerbezirkspersonalrat Torsten Richter bereits Antworten auf häufig gestellte Fragen zu den Regelungen der Mehr- und Minderzeiten zur Vorgriffstunde. In diesem vierten Teil beantwortet er hier nun weitere Fragen zur geänderten Arbeitszeitverordnung und zur Entstehung, Bezahlung und Fälligkeit der Vorgriffstunde und geht dabei auf die Schulleiterbriefe der Ministerin und die FAQ des Landesschulamtes ein.
Angeblich sollen Schulen, die eine Schulverwaltungsassistenz erhalten, weniger Verfügungsstunden für Lehrkräfte (so genannte „§-10-Stunden“) erhalten. Ist das tatsächlich so?
Tatsächlich wurde bei der Neufassung der Arbeitszeitverordnung die Regelung eingeführt, dass sich bei Schulen mit einer Schulzeitassistenz durch das Land die Anzahl der Stunden, die der Schule für besondere Belastungen (§ 10) um ein Drittel verringert. Bei einer Teilzeit-Assistenz verringern sich die Stunden anteilig. Die Verringerung beträgt an berufsbildenden Schulen höchstens 10 und an allgemeinbildenden Schulen höchstens 20.
Gibt es eine Stichtagsregelung, nach der nur diejenigen, die bei Erscheinen der Verordnung schon die Altersanrechnungen bekamen, keine Vorgriffstunden leisten müssen?
Nein, es gibt keine solche Stichtagsregelung. Wer in der Laufzeit der Regelungen zur Vorgriffstunde bis 2028 irgendwann die Stunden zur Altersermäßigung bekommt, braucht automatisch ab dem gleichen Zeitpunkt keine Vorgriffstunden mehr erteilen. Die Stunden zur Altersermäßigung gibt es regelmäßig ab dem nächstfolgenden Schulhalbjahr nach Vollendung des 62. Lebensjahres.
Man kann die verschiedensten Auszahlungstermine zur Vergütung der Vorgriffstunde lesen, die Verordnung sagt das eine, die Ministerin das andere, was gilt denn nun?
Ausschlaggebend sind immer die rechtlich geltenden Normen, in diesem Falle gelten also die Aussagen der Arbeitszeitverordnung für Lehrkräfte. Die regelt in den §§ 4 und 4b, dass die Zusatzstunden und die Vorgriffstunden, wenn sie nicht auf dem Ausgleichskonto gebucht werden, monatlich ausgezahlt werden. Es gibt keine Ausnahmen oder Regelungen, nach denen anders verfahren werden darf.
Den FAQ des Landesschulamtes1 kann man entnehmen, dass mit einer Auszahlung der Vorgriffstunde nach Antrag Ende oder Beginn des Schuljahres im Oktober / November gerechnet werden kann. Stimmt das?
Wenn das Landesschulamt so verfährt, ist es rechtswidrig. Liegt ein Antrag auf Auszahlung der Vorgriffstunde vor, ist diese monatlich abzurechnen und zu bezahlen. Siehe auch die Frage zuvor.
Die Bildungsministerin hat aber nun um Verständnis gebeten, dass keine monatliche Auszahlung erfolgen kann, weil die technischen und personellen Voraussetzungen noch nicht gegeben seien. Muss man das Verständnis nicht einfach aufbringen?
Nein. Gerade als Lehrkraft, von der ständig erwartet wird, dass Normen und Regeln eingehalten werden, muss man kein Verständnis aufbringen. Im Gegenteil, man muss es deutlich aussprechen: Das Land Sachsen-Anhalt verhält sich bewusst rechtswidrig.
In den FAQ des Landesschulamtes1 wird erklärt, dass die Unterrichtsplanung so erfolgen soll, dass freies Arbeitsvermögen gebündelt werden soll. Müssen tatsächlich Lehrkräfte mit „wenig Unterrichtsstunden“ mit Abordnungen an andere Schulen rechnen?
Nein. Entscheidungen zu Abordnungen und Versetzungen unterliegen dem billigen Ermessen, hierbei werden neben der Sozialauswahl auch weitere dienstliche und persönliche Gesichtspunkte einbezogen. Welche Lehrkraft dies letztendlich betrifft, hängt nur hiervon ab, der konkrete Unterrichtseinsatz spielt dabei in der Regel eine untergeordnete Rolle.
Die Erfassung und Abrechnung der Mehr- und Minderzeiten, der Zusatz- und Vorgriffstunden und später die Erstellung der Abbauvereinbarung sind Aufgaben der Schulleitung. Bekommen diese hierfür Arbeitsvermögen z. B. in Form von Abminderungsstunden?
Nein. Neben den bisherigen Aufgaben der Schulleitung kommen diese Verpflichtungen noch „on top“. Unterstützung und Hilfen beschreiben befragte Schulleitungen als marginal, wenn es überhaupt welche gibt. Es muss sich keiner wundern, dass das Interesse an der Übernahme solcher Funktionsstellen rapide sinkt.
In den FAQ des Landesschulamtes1 wird erklärt, dass Vorgriffstunden, die wegen gesetzlicher Feiertage entfallen, nicht erfasst werden.
Das ist nicht zutreffend. Das Entgeltfortzahlungsgesetz regelt unmissverständlich, dass der Beschäftigte an gesetzlichen Feiertagen so zu bezahlen ist, als ob er an diesem Tag planmäßig gearbeitet hätte. Genauso, wie er die anderen Unterrichtsstunden nicht nachzuholen braucht, ist die Vorgriffstunden als „gehalten“ zu erfassen und zu bezahlen.
Wie verhält es sich mit der Erfassung der Vorgriffstunde, wenn anstatt des normalen Unterrichts an diesem Tag z. B. ein Projekt oder eine Klassenfahrt stattfindet?
Für die Lehrkraft, die am Projekt oder der Klassenfahrt beteiligt ist, wird die Vorgriffstunde als gehalten erfasst, weil die Lehrkraft arbeitszeitlich so behandelt wird, als hätte sie den üblichen Unterricht an diesem Tage im vollen Umfang erteilt. Lehrkräfte, die nur wegen des Fehlens der Klasse den Unterricht nicht erteilen können, müssen Minderzeiten und bei nicht gehaltener Vorgriffstunde mit keiner Erfassung einer Vorgriffstunde hinnehmen. Keinesfalls entsteht durch das fehlende Erteilen der Vorgriffstunde eine Minderzeit.
Wenn anstatt der Vorgriffstunde (Klasse X, Fach Y) eine andere Stunde (Klasse Z) vertreten wird, gilt die Vorgriffstunde dann als erteilt?
Wenn anstatt der üblichen Vorgriffstunde in der gleichen Zeit eine andere Stunde erteilt wird (Vertretung), ist diese Stunde auch als erteilte Vorgriffstunde zu erfassen. Ebenso verhält es sich, wenn die Vertretung an einem anderen Tag erfolgt und dies zur Erfüllung der zusätzlichen Unterrichtsverpflichtung führt (bei vollzeitbeschäftigten Lehrkräften die 26. bzw. 28. Stunde).
Wer hilft mir weiter, wenn ich zu diesem Themenbereich Fragen habe oder sogar rechtlich dagegen vorgehen will?
Viele Fragen sind bisher in den Teilen 1 bis 3 geklärt worden, diese sind in den letzten Ausgaben der EuW zu finden. Für Mitglieder sind die Beiträge auch unter https://www.gew-sachsenanhalt.net/arbeitszeit eingestellt und nachlesbar.
Allgemein helfen die GEW-Personalräte gern weiter, besonders unsere Kolleginnen und Kollegen im Lehrerhauptpersonalrat und in den Lehrerbezirkspersonalräten haben sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, die Kontakte sind unter https://www.gew-sachsenanhalt.net/personal-betriebsraete zu finden. Als GEW-Mitglied kann man den GEW-Rechtsschutz nutzen, der von der Beratung bis zu Gerichtsprozessen bis in die letzte Instanz zur Verfügung steht, letzteres natürlich nur, wenn der Rechtstreit nicht von vornherein aussichtslos ist. Auch der Autor dieser Beiträge steht per Mail oder telefonisch zur Verfügung, soweit es zeitlich möglich ist.
Gibt es ein Muster für eine Geltendmachung von Ansprüchen, welches man individuell verwenden kann?
Hier haben wir eine Mustergeltendmachung bereitgestellt. Diese umfasst alle möglichen Tatbestände, die im Hinblick auf die Einführung der Vorgriffstunde derzeit geltend gemacht werden könnten. Es ist sinnvoll, die nicht bestehenden Ansprüche und die Hinweise in diesem Muster zu löschen.
Hinweise, Kritiken und Fragen nehme ich gerne wieder unter torsten.richter@gew-lsa.de entgegen.