Aufsicht an der Schulbushaltestelle – Fragen und Antworten

Das Thema wird sehr häufig an Schulen diskutiert, auch im Hinblick auf die Tatsache, dass wir unter einem so noch nie dagewesenen Lehrkräftemangel leiden, der natürlich bewirkt, dass die eine und andere Aufgabe der Schule hinterfragt werden sollte.

Muss die Schule ihre Schülerinnen und Schüler an der Bushaltestelle beaufsichtigen?

Grundsätzlich nein. Für Sachsen-Anhalt ist geregelt, dass sich „die Aufsichtspflicht der Schule … nicht auf den Weg zur Schule oder von der Schule nach Hause (Schulweg)“ erstreckt. Die Aufsichtspflicht beginnt in der Regel eine angemessene Zeit vor dem Unterricht oder vor der schulischen Veranstaltung mit Betreten des Schulgeländes und endet wiederum angemessen zeitnah nach dessen Ende mit Verlassen des Schulgeländes. Der Weg zur Schule sowie wieder nach Hause fällt in die Verantwortungssphäre der Eltern. Diese müssen dafür sorgen, dass ihr Kind sicher diesen Weg bewältigen kann und entscheiden auch, ob zu Fuß, per Fahrrad, per Auto oder per öffentlicher Verkehrsmittel wie z. B. dem Schulbus.

Gibt es Ausnahmen?

Die gibt es. Wenn sich eine Schulbushaltestelle auf dem Schulgrundstück oder in unmittelbarer Nähe der Schule befindet, so dass beide als Einheit betrachtet werden können, ist eine Aufsicht durch die Schule erforderlich. Ebenso kann eine Aufsicht geboten sein, wenn für die Schülerinnen und Schüler durch verschiedene Umstände eine bestimmte Gefahrenlage an oder bei der Schulbushaltestelle besteht. Einerseits kann diese temporär bestehen, weil eine Gefahrenlage aufgrund der Verkehrssicherungspflicht des Trägers der Schülerbeförderung nicht dauerhaft bestehen kann oder sie ergibt sich dauerhaft, was jeweils vor Ort zu prüfen und zu entscheiden ist. Das sind Ausnahmen, regelhaft besteht keine Aufsichtspflicht der öffentlichen Schule (in Sachsen-Anhalt) an Schulbushaltestellen. 

Wie sind bekannte Gerichtsurteile zu werten, die Anderes aussagen?

Sofern sie eine dauerhafte und regelmäßige Aufsichtspflicht bejahen, treffen sie für Sachsen-Anhalt nicht zu, sie sind nicht einschlägig. Tatsächlich gibt es Bundesländer, die es als Pflicht der Schule normiert haben, an Schulbushaltestellen eine Aufsicht vorzuhalten, aus diesen stammen diese Gerichtsurteile. In Sachsen-Anhalt ist eine solche Pflicht nicht in diesem Sinne geregelt, so dass von einer generellen Verpflichtung durch die Schule keine Rede sein kann. Der Hinweis auf diese Urteile geht also ins Leere.  

Was ist mit der „Lehrer haben doch genug Zeit“-Aussage aus dem Landesschulamt?

Tatsächlich wurde uns von Äußerungen aus dem Landesschulamt berichtet, dass Lehrkräfte mehr Ferientage als Urlaubstage hätten und sie  deshalb ohne Probleme Aufsichten an einer Schulbushaltestelle wahrnehmen könnten, um auch so die „freien Tage“ auszugleichen. Die Aussage ist sachlich falsch, realitätsfremd und lehrkräftefeindlich. Einerseits kann man durch angebliches freies Arbeitsvermögen keine zusätzlichen Aufgaben der Schule begründen. Zum anderen insistiert die Aussage, dass die Lehrkräfte noch viel zu viel Arbeitszeit ohne entsprechende Aufgaben hätten, die sie nun vorab abarbeiten sollen. Es wird völlig verkannt, dass gerade in Zeiten des Lehrkräftemangels viele Lehrkräfte überdimensional über ihrem Limit arbeiten, jede Menge Vertretungen und zusätzliche Aufgaben übernehmen und so eine Arbeitswoche schnell mehr als 60 Arbeitsstunden haben kann. Anstatt Entlastungsmöglichkeiten zu schaffen werden so rechtlich nicht begründbare Aufgaben übertragen und die Kollegien zusätzlich belastet.  Im Übrigen geben die arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen diese Aussage nicht her. 

Wenn also keine Aufsichtspflicht der Schule besteht, kann ich diese Aufsicht als Lehrkraft verweigern?

Nein. Es ging bisher darum, ob die Aufsichtsführung an Schulbushaltestellen eine Pflichtaufgabe der Schule ist. Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, kann aber in Ausnahmefällen geboten sein. Für die Organisation der gesamten Aufsicht der Schule ist die Schulleiterin oder der Schulleiter zuständig, diese müssen auch im Zweifelsfall beweisen, dass sie die Aufsicht in ausreichendem Maße organisiert haben, falls es einen gerichtsanhängigen Fall gibt, in dem das Gegenteil behauptet wird. Es ist verständlich, dass die Schulleitungen bei der Aufsichtsplanung keine Risiken eingehen wollen, weil im Fall eines Organisationsverschuldens bei der Aufsichtsplanung sehr schnell Regressforderungen drohen. Durch den Aufsichtsplan der Schule entsteht die konkrete Dienstpflicht für die einzelne Lehrkraft, Aufsichten wahrzunehmen. Diese Dienstpflicht besteht unabhängig davon, ob die konkret abgeforderte Aufsichtsführung zur Pflichtaufgabe der Schule gehört oder nicht, sie ist zu erfüllen. Man kann an der Schule mit und in den Gremien oder Beratungen diskutieren, welche Aufsichten tatsächlich notwendig sind und versuchen, die Schulleitung zu überzeugen. Dies wird im Hinblick auf die Gesamtverantwortung der Schulleitung nicht so einfach sein.

Was kann man nun den Schulleitungen bezüglich der Aufsicht an der Schulbushaltestelle raten?

Im Grundsatz besteht keine Pflicht zur Aufsichtsführung. Eine solche kann allerdings entstehen, wenn entweder die Bushaltestelle und das Schulgelände faktisch eine Einheit bilden, also sehr nahe zusammenliegen, oder wenn eingeschätzt werden muss, dass im Bereich der Bushaltestelle Gefährdungssituationen eintreten können, die über der normalen Gefährdung im allgemeinen Verkehr liegen und vor denen die Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer Aufsichtsführung geschützt werden können und müssen. Dies kann nur im konkrete Einzelfall entschieden werden. Ratsam ist die Einbeziehung der Gesamtkonferenz in diese Diskussion. Wenn sich Schulleitungen unsicher sind, hilft Ihnen mit Sicherheit das Schulrechtsreferat des Landesschulamtes (Referat 13) sachkundig und rechtssicher weiter.

Wir würden uns gern zum Thema Aufsichtspflicht, Fürsorge, Haftung und Regress an der Schule fortbilden.

Der Autor steht gern im Rahmen seiner Möglichkeiten den Schulen für entsprechende Veranstaltungen zur Verfügung. Man erreicht ihn über den Lehrerbezirkspersonalrat Halle.    

Torsten Richter

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert