Sachsen-Anhalt im Bildungsvergleich: Sieger in der Rubrik „Bundesweites Schlusslicht“

Hiobsbotschaften für Sachsen-Anhalt, wohin man schaut: Bundesweites Schlusslicht im aktuellen Bildungsmonitor (den man nicht für gut halten muss, aber der letzte Platz und größte Absturz sagt schon etwas aus), bundesweites Schlusslicht beim Breitbandausbau (merke: wer früher aufsteht, kann länger auf die Daten warten), bundesweites Schlusslicht beim Einsatz der eigenen Studienabgänger (zwei von drei Studenten planen, nach Studienabschluss Sachsen-Anhalt zu verlassen) und auch bundesweites Schlusslicht bei Prophylaxe und Therapie kardiovaskulärer Krankheiten, aber das führt jetzt etwas weit vom geplanten Thema weg. Nun muss ich mir immer sagen lassen, dass es nicht zielführend sei, immer auf den schlechten Beispielen herumzutrampeln. Für mich erhebt sich allerdings  die Frage, welches Ziel denn da verfolgt wird. Dieses schöne Bundesland in den Ruin zu treiben? Schauen wir uns die aktuelle Bildungspolitik im Lande an: Seit fast sechs Monaten müssen wir mit „Corona“ leben und arbeiten, da war die Hoffnung groß, dass man nach dieser Zeit das neue Schuljahr gut vorbereitet erleben wird. Nun ist es da und was muss man feststellen? Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt.

Als erstes wurde den schlecht aussehenden Statistik-Zahlen eine Verschönerung angewiesen: Stundenkürzungen und Kürzungen bei der Zuweisungen der Lehrkräftewochenstunden. Das erste ist verständlich und das letzte ist schnell erklärt: Eine größere Schule, die bisher über Lehrkräftemangel klagen musste, kann sich nun, ohne dass sich die Anzahl der Lehrkräfte oder der Schüler*innen geändert hätte, über einen Lehrkräfteüberschuss wundern. Dies kann man auch Bildungsklau nennen, weil pro Schüler weniger Bildungsaufwand betrieben werden muss. Das Dumme ist nur, die Ausgangszahlen sind so schlecht, dass die Verschönerung nicht wirklich dauerhaft wirkt. Was dauerhaft wirken wird, ist die Arbeitsverdichtung bei den Lehrerinnen und Lehrern, denn die Lehrpläne bleiben unverändert.

Als zweites wurde festgestellt, dass Verantwortung etwas Unangenehmes ist. Gerade in Corona-Zeiten. Unangenehmes schiebt man weg, und zwar einfach vom Bildungsministerium zu den Schulleitungen. Denen wurde mitgeteilt, dass sie alle Hygienemaßnahmen umzusetzen haben. Wie, das wusste man im Bildungsministerium auch nicht, aber man kann ja nicht für alle Schulleitungen vordenken. Damit bildete sich das Ministerium ein, seinen Arbeitgeber- und Dienstherrnpflichten nachgekommen zu sein. Daher kommt wahrscheinlich auch der Name Bildungsministerium. In ihrer Verzweiflung haben manche Schulleitungen gedacht, was das Ministerium kann, das können wir auch. Seitdem hängen an viel zu kleinen Lehrerzimmern Schilder mit der Aufschrift „Mindestabstand einhalten!“ Das dies nicht geht ist konsequenter Weise auch egal. Im neuen Schuljahr läuft alles genauso weiter, Lehrkräfte, die bisher zur Risikogruppe gehören, sollen eine FFP2-Maske bekommen. Das sind übrigens Einweg-Masken, die dann vielleicht einen halben Tag reichen, wenn sie mal da wären. Und dann? Aufgabe der Schulleitung. Kohorten sollen gebildet werden, die sich nicht durchmischen. Sollte es gelingen, trägt dann halt eine Lehrkraft die gefährlichen Aerosole von der einen in die nächste Kohorte. Zuständig, dass es nicht so kommt: Die Schulleitung. Maskenpflicht im Schulhaus. Zuständig, ob oder ob nicht: Die Schulleitung. Und so weiter, und so weiter.

Als drittes kam jetzt in den Sommerferien der ganz große digitale Sprung. Ich habe nämlich jetzt schnelles Internet, und zwar zuhause. In den allermeisten Schulen dagegen ist der digitale Gähnzustand derselbe wir vor den Ferien. Breitbandzugang? Vielleicht geplant. Laptops für Schüler*innen? Sollen kommen. Endgeräte für Lehrkräfte? Keine Aussage. Neue Datenschutzbestimmungen? In Arbeit. Erhöhung der Kapazitäten bei Moodle, der angepriesenen elektronischen Lernplattform? Nichts. Die wichtigste Sommermeldung war, dass der Bildungsminister nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub die Staatskanzlei nicht betreten durfte, wegen Infektionsschutz. Damit die Beschäftigten in den Schulen wenigstens etwas zum Lachen haben. Wie die Schulen mit der Situation klarkommen sollen, auch hierzu gibt es keine Aussagen.

An dieser Stelle hat mich unser Redakteur angerufen und gemeint, ich solle mal aufhören mit Schreiben, das passt nicht alles in die nächste Landeszeitung hinein. Okay, dann muss ich die Punkte vier bis zwölf ein andermal aufschreiben. Aber eines kann man schon jetzt ohne Studie feststellen: Auch beim #moderndenken ist die Landesregierung von Sachsen-Anhalt offenbar bundesweit Schlusslicht.

Torsten Richter

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