Zwischenstand Vorgriffstunde

Zum Sachstand

Seit April 2023 sind die Lehrkräfte aufgrund einer verordneten Festlegung der Landesregierung verpflichtet, eine Stunde über die regelmäßige wöchentliche Unterrichtsverpflichtung hinaus zu leisten. Dabei können die Beschäftigten wählen, ob sie diese Stunden entweder auf ein Ausgleichskonto buchen oder sich diese Stunde monatlich auszahlen lassen. Für die Beschäftigten ergaben unter anderem mehrere Probleme:

a) Ist die temporäre Erhöhung der Arbeitszeit überhaupt rechtlich zulässig, auch wenn die Stunden später „zurückgegeben“ werden sollen?

b) Wie kann man die Landesregierung überzeugen, ihre eigene Verordnung einzuhalten? Die Bezahlung funktionierte nämlich weder im vergangenen noch im laufenden Schuljahr.

c) Die Abrechnungen der Stunden waren in sehr vielen Fällen nicht korrekt. Noch heute gibt es Schulen, die die Vorgriffstunde über Minderzeiten ausgleichen. Hinzu kam, dass unzulässigerweise die Vorgriffstunden am Ende des letzten Schuljahres mit vorhandenen Minderzeiten verrechnet wurden.

d) Es sind erhebliche Unstimmigkeiten mit den auf den Konten gebuchten Stunden zu erwarten, wenn die noch nicht erfolgte Prüfung mit dem gleichen Maßstab wie bei der Auszahlung umgesetzt wird.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Vorgriffstunde als rechtens erklärt, lohnt es sich überhaupt noch, sich mit dem Thema zu beschäftigen?

Der Frage liegt ein Missverständnis zugrunde. Beim OVG Magdeburg wurde von zwei GEW-Mitgliedern ein Normenkontrollverfahren eingeleitet. Im Normenkontrollverfahren wird geprüft, ob eine Rechtsnorm mit höherrangigem Recht vereinbar ist, deshalb auch „Normenkontrolle“. Das OVG Magdeburg hat diese Prüfung durchgeführt und festgestellt, dass die Regelungen zur Vorgriffstunde nicht gegen höherrangiges verstoßen, damit können die Regelungen trotzdem in einem oder vielen Fällen rechtlich unzulässig sein, weil sie z. B. gegen einzelvertragliche Rechte verstoßen. Oder die Anwendung der Regelungen zur Vorgriffstunde werden fehlerhaft oder falsch umgesetzt. So ist die fehlende monatliche Auszahlung oder die falsche Berechnung oder Verrechnung mit Stunden aus anderen Sachverhalten rechtlich unzulässig. Es lohnt sich also schon, nicht widerspruchsfrei alles hinzunehmen. Hierauf hat das OVG ausdrücklich hingewiesen. Übrigens läuft gegen die Entscheidung des OVG ein Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

Wie sieht es aktuell aus?

Aufgrund des erzeugten Drucks, auch durch ein Gerichtsverfahren, versucht das Land jetzt, die Auszahlungen auf monatlicher Basis hinzubekommen. Eine entsprechende Klage ist anhängig und zumindest werden die entstandenen Verzugszinsen eingefordert. Außerdem wird geklärt werden, ob angestellte Lehrkräfte im Fall eines Feiertages Anspruch auf Zahlung der Vorgriffstunde haben, weil das Entgeltfortzahlungsgesetzt dies vorsieht. Der erstinstanzliche Kammertermin ist Anfang Juli 2024. Ein weiteres Verfahren bezüglich der Fragen zur Bewertung der Vorgriffstunde bezüglich einer Teilzeitvereinbarung läuft auch noch.

Welche Probleme sind weiterhin bekannt?

Nach wie vor gibt es Schulen, die die Vorgriffstunde nicht erteilen lassen, sondern diese über Minderzeiten ausgleichen. Planmäßige Minderzeiten fallen aber auch an, wenn gar keine Vorgriffstunde fällig gewesen wäre, dies führt regelmäßig zu Abrechnungsproblemen.  Nach wie vor wird uns berichtet, dass die Vorgriffstunden mit Mehr- und Minderzeiten oder Zusatzstunden vermischt und gegengerechnet oder anteilmäßig verbucht werden.

Auch als Problem muss benannt werden, dass die Schulleitungen mit der Buchung und Abrechnung der Vorgriffstunden ungemein zusätzlich belastet sind, die fehlenden, unvollständigen oder teils falschen Anweisungen aus dem Landesschulamt machen den Aufwand nicht geringer.  Die Einführung der Vorgriffstunde bedarf auch einiger wesentlicher Änderungen des sogenannten „Flexi-Erlasses“, hierauf warten die Schulleitungen und Beschäftigten seit mehr als einem Jahr.

Hat sich der Kampf der GEW gegen die Einführung und Umsetzung der Vorgriffstunde bisher gelohnt? Aus meiner Sicht ja. Wir haben es bisher nicht geschafft, das Thema Vorgriffstunde „vom Tisch zu bekommen“, die Chancen hierfür sind nach der Entscheidung des OVG Magdeburg nur noch gering. Andererseits haben gerichtliche Verfahren die Landesregierung erheblich unter Druck gesetzt, zum Beispiel bei der Umsetzung der monatlichen Bezahlung, weil es ihnen klar war, dass sie hier nur verlieren können. Das ist für diejenigen, dies sich die Stunde sich auszahlen lassen, ein großes Plus. Was weitere Verfahren bringen werden, muss man abwarten, die Rechtsprechung braucht nun mal Zeit und bringt keine schnellen Lösungen. Darüber hinaus wurde das Bewusstsein der Lehrkräfte, mehr auf ihre Arbeitszeit und deren Abrechnung zu schauen, erheblich geschärft. Das wird uns bei der nun langsam einsetzenden Debatte um die auch bei Lehrkräften  gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiterfassung erheblich helfen

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